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Verborgene Perlen im Hohen Fläming

Ich hatte das große Glück, dass mich drei Freudinnen bei diesem kleinen Abenteuer begleiteten. Auch sie waren neugierig auf die beiden Frauen, die das Seminarhaus "Refugium" übernommen hatten. Brennend interessierte mich übrigens, warum diese beiden Frauen, die ursprünglich im Allgäu und Bayern zuhause sind, so begeistert sind von der Landschaft Brandenburgs und sich dort niederlassen, obwohl es doch im Süden auch so schön ist.

 

Ich war sicher, alles bestens organisiert zu haben: Berlin-Brandenburg-Ticket besorgt, eine humane Abfahrtszeit für einen Sontag rausgesucht und mitgeteilt, die Adresse vom Seminarhaus notiert und grob geortet, außerdem bereits schon seit Längerem im stolzen Besitz einer Karte "Internationaler Kunstwanderweg Hoher Fläming" und gutes Wetter bestellt.

Früh morgens dann noch die Frage einer meiner Freundinnen, ob ich denn eine gute Karte von der Region dabei hätte. "So grob", sagte ich. "Es ist ganz einfach. Wir laufen einfach von Bad Belzig nach Wiesenburg. Dort kehren wir ein und nehmen

dann ein Taxi in diesen kleinen Ort, wo sich das Seminarhaus befindet. Sind nur 5 Km von Wiesenburg entfernt." Um 15 Uhr hatten wir uns im Seminarhaus verabredet. Alles ein Kinderspiel.

 

Entlang am Internationalen Kunstwanderweg Hoher Fläming

Bei schönstem Sonnenschein und bester Laune steigen wir gegen 12:30 Uhr in Bad Belzig aus, bekannt auch durch seine Therme. Dort geht dann der Internationale Kunstwanderweg los. Da beginnt schon ein bisschen die Misere: Es gibt nämlich eine Nordroute, eine Südroute und sogar eine Westroute. Wir entscheiden uns für die Südroute und wandern los. Es ist heißer als gedacht, wir vermissen Sonnenhüte. Wir wandern vorbei an der Burg von Bad Belzig, wo es sehr guten Kuchen geben soll. Wir haben dafür heute aber keine Zeit. Es bleiben uns 2,5 Stunden, um beim Refugium anzukommen...12,6 Km sind es bis nach Wiesenburg. In dem Moment ist schon klar: 15 Uhr, das wird nichts. Das klappt nicht. Es sei denn, wir finden eine Abkürzung.

Sich jetzt auch noch den Kunstwerken links und rechts vom Wanderweg zu widmen, ist ehrlich gesagt nicht drin.

Wir laufen bis nach Borne, teilen dort schon mal telefonisch mit, dass wir wohl nicht rechtzeitig ankommen und erfahren, dass wir gar nicht bis Wiesenburg laufen müssen, einfach unterhalb halten..

Ob wir eine gute Karte dabei hätten. Hatten wir bekanntlich nicht. Und von da an wird es mühselig. Wir laufen nun mit Google Maps, aber irgendwann gibt es keinen Empfang mehr. Wir irren durch einen Wald und irgendwann wissen wir gar nichts mehr.  Ich glaube, ich hätte hier aufgegeben. Aber eine meiner Freundinnen ist sehr zäh und gibt nicht so schnell auf. Wer sich in den Bergen zurechtfindet, der kommt doch wohl im Wald zurecht!

Immer wieder versucht sie verschiedene Wege, wir gehen querfeldein und zurück. Nach rund einer Stunde Herumirren haben wir die Orientierung wieder. Und haben die Hoffnung, dass wir nur mit zwei Stunden Verspätung ankommen.

 

Sehr nett, dass sich die ganze Zeit niemand beklagt hat von meinen Freundinnen, obwohl wir uns das alle viel entspannter vorgestellt haben. Am schwersten war es vielleicht für die eine Freundin, die beim Wandern ab 14 Uhr grundsätzlich von einem tollen Kuchen und Kaffee träumt. Einkehr ist mindestens so wichtig wie die Windröschen und Kunstwerke am Rande!

 

Nach vier Stunden Wandern und hängender Zunge finden wir das Seminarhaus.

Allerdings finden wir den Eingang nicht und rufen lieber an, dass wir nun da sind.

 

Verborgene Perlen

Wir werden herzlich empfangen von Andrea und Ingrid, die schon ahnen, dass wir uns sehr über eine Tasse Kaffee freuen. Auch östliche Küchle werden uns serviert. Wir sind sofort bezaubert von der Gastfreundlichkeit der Hausbesitzerinnen und dem verwunschenen Haus mit einem 1,4 ha großen Garten und Anwesen.

 

Wie findet frau so ein Grundstück und Haus. "Wir haben vor über zwei Jahren an einem Retreat teilgenommen", erzählen beide. "Zum Glück war das kein Schweigetreat. Denn einer der Teilnehmer sagte:' Ich habe da was für euch.'

 

Für beide war es Liebe auf den ersten Blick. "Wir haben uns nichts Anderes mehr angeschaut." Beide haben einige Jahre in Freiburg verbracht, sich damals aber nicht kennengelernt. Die eine, Ingrid Zoll, ist Volkswirtin und kommt aus dem Allgäu. Die andere Andrea Franke ist Sozialarbeiterin und kommt aus dem Schwarzwald.

 

Hausbegehung

Wir sitzen an einem sehr großen, wuchtigen Holztisch im Essraum. 16 Personen können hier Platz nehmen. Sie berichten von ihren eigenen Seminarangeboten, alles dreht sich um Gesundheit, Bewegung, Ernährung, bewusstes Leben, persönliche Entwicklung, Wachstum.  Das Wort "Leibarbeit" fällt auch immer wieder. Sie vermieten auch an Yogalehrer*innen und andere Seminarleiter*innen mit vegetarischer Vollpension. Seit Kurzem kann man sich hier auch selbstversorgen und als große Gruppe eine ganze Woche zusammensein und feiern. "Wir hatten sogar mal eine Gruppe, die hat eine mobile Schwitzhütte mitgebracht."

 

2019 lernten sie über eine Reise in die Slowakei die Unternehmen Woman Fair Travel und FrauenUnterwegs kennen. Seitdem arbeiten sie mit beiden  Berliner Unternehmen zusammen. Ansonsten, was das Programm angeht: "Wir probieren aus. Irgendwann kam der Durchbruch mit den selbstversorgenden Gruppen, die zu uns kamen. Das klappt ganz wunderbar."

 

"Wie hat denn die Nachbarschaft auf euch reagiert? Vor allem auf das, was ihr hier so anbietet?"

"Ach, es gibt hier die bekannte dörfliche Zurückhaltung Fremden gegenüber", erzählt Andrea. "Wir haben keine negative Erfahrungen. Einmal haben Nachbarn gesagt: 'Det Beste ist, wenn hier gesungen wird im Garten.'"

 

Und dann natürlich die Frage, die uns umtreibt: Warum haben sie sich ausgerechnet hier niedergelassen? "Wir mochten das Sanfte", erzählt Ingrid und "das Unprätentiöse."

Es sei einfach nicht so geleckt und satt wie manchmal im süddeutschen Raum.

Und es gibt richtige Perlen zu entdecken.

 

"Als wir das Lehmhaus gebaut haben, brauchten wir Material und auch Werkzeug, das wir nicht besaßen. Es meldeten sich viele und wir fanden es faszinierend, was man hier alles auf den Höfen findet! Was für Werkbänke, richtige verborgene Perlen."

 

Dann dürfen wir uns noch kurz die Zimmer anschauen, 5 sind es, mit 16 Betten. Jedes Zimmer hat einen anderen Boden und ist anders gestaltet. Sehr liebevoll. In allen Zimmern sind ihre Bücher verteilt. "Renoviert haben wir hier nichts", sagen sie. Kann man sich kaum vorstellen.

 

Zum Schluss durchqueren wir das große Grundstück, vorbei am Gemüsegarten und dem "Drei-Schwestern-Beet" (nach südamerikanischer Tradition pflanzt man Mais, Bohnen und Kürbis auf einem Beet), dem selbstgebauten Lehmhaus für Arbeits-Gäste oder auch als eigenes Ausweichquartier; entlang an den alten Obstbäumen mit diesem sagenhaften freien Blick. Es gäbe noch soviel zu fragen und zu erfahren, aber wir müssen los. Die Zeit tickt, unser Magen knurrt, wir wollen zurück nach Berlin. Herzliche Verabschiedung und das sichere Gefühl, dass wir wiederkommen

 

Die Schänke am Bahnhof Wiesenburg

Gegen 18 Uhr bringt uns Andrea zum Bahnhof Wiesenburg. Taxen gibt es übrigens nicht in Wiesenburg, auch dieser Teil der ursprünglichen Planung war nicht gut recherchiert.

 

Wir sind mittlerweile sehr hungrig und diskutieren schon, wo wir in Berlin essen gehen. Zwei Bahnhofskatzen fegen in den Gleisen herum. Kaum ist Andrea abgefahren, erfahren wir, dass der Zug erst in einer Stunde nach Berlin fährt. Gleichzeitig schließt die Schänke am Bahnhof. Zu viert betteln wir um Verlängerung der Öffnungszeit. Wir wissen, dass ist besonders fies: Am Tag der Arbeit darum zu bitten, dass länger gearbeitet wird. Die Menschen in der Schänke sind sehr gelassen und erbarmen sich unser. Wir sitzen sehr gemütlich an einem Tisch mit Blick auf die Gleise, bekommen Bier, vier Curry-Gerichte,  es sind auch noch 5 Würste übrig, dann werden noch Kuchen und heiße Waffeln serviert.

Wir sind überglücklich.

 

Der Zug kommt pünktlich, ist sehr voll. Wir sind müde und zufrieden.

 

"Das war ein Tag in guter alter Tradition", sagt meine Freundin, die Wanderexpertin. Damit meint sie: Es war sehr schön trotz der Pannen und lückenhafter Vorbereitung.

 

Ich würde wirklich gerne nochmal hinfahren und im Hohen Fläming nochmal auf Entdeckungsreisen gehen. Und mir auch mal die Kunst anschauen. Irgendwie war dafür dieses Mal einfach keine Zeit.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Marie (Mittwoch, 04 Mai 2022 18:55)

    Liebe Schwester
    Eine wunderbare Erzählung und sehr schön geschrieben. Ich kann mich dem träumen deiner Freundin anschließen. Wenn ich wandern � gehe, ist es Kaffee/ Kuchen ab 14.00 Uhr innerlich programmiert. Einkehr als Belohnung ist wichtig und dies habt ihr toll am Bahnhof umgesetzt!