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Durch Wissenschaft zur Gerechtigkeit: unvergesslicher Festakt zum 150. Geburtstag von Magnus Hirschfeld

von LGBT-Menschen in Deutschland, den Humanisten und Wissenschaftler, den mutigen Aufklärer in Sachen Sexualität Magnus Hirschfeld (1886 - 1935.). Knapp 30 Medienvertreterinnen und - vertretersind gekommen, davon die Hälfte aus dem Ausland.

 

Sichtlich bewegt der Vorsitzende der Magnus-Hirschfeld-Stiftung Jörg Litwinschuh: „Wir sind unendlich glücklich über die große Teilnahme von so vielen Menschen aus dem In- und Ausland. Wir freuen uns riesig, dass die Hirschfeld-Familie aus Australien den weiten Weg angetreten ist.“

 

 

 

Und auch das hat es bei einer Veranstaltung der Hirschfeld-Stiftung noch nie gegeben: Zwei Bundesministerinnen – die Justizministerin  Dr. Katarina Barley, Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz und Kuratoriumsvorsitzender der BMH sowie die Familienministerin Dr. Franziska Giffey – sind gekommen, außerdem zwei Berliner Senatoren, Staatssekretäre, Bundestags- und Landtagsabgeordnete sowie die Vorsitzenden der großen Religionsgemeinschaften in Berlin. Alle erweisen sie Magnus Hirschfeld die Ehre. Das ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. „Als wir vor 30 Jahren die Hirschfeld-Gesellschaft gründeten“, erzählt Ralf Dose, „gab es so gut wie nichts. Wir fingen bei Null an“.

Von der Zerstörung seines Lebenswerk hin zur Würdigung in der Gegenwart

 

Nach 1945 wusste fast niemand mehr jemand etwas über das Lebenswerk des jüdischen Arztes und seinen politischen Kampf von Hirschfeld. Wer wusste schon, dass es dank Hirschfelds Initiative bereits in der Weimarer Republik eine Mehrheit gab im Landtag für die Abschaffung des Paragraphen 175?

 

 

Dieses Auslöschen seiner Leistungen, seines Schaffens und Wirkens ist nicht verwunderlich. Denn: Die Nationalsozialisten haben „ganze“ Arbeit geleistet. 1933 stürmten sie sein „Institut für Sexualforschung“, zertrümmerten alles, verbrannten seine Schriften. Das waren die „Vorboten“  zur Bücherverbrennung, die nur wenige Tage später auf dem Operplatz (heute: Bebelplatz) stattfand. Mit der Vernichtung seines Instituts und seiner Schriften wurde auch über Jahrzehnte das Wissen vernichtet, was Hirschfeld mit seiner Forschung, seinen Sexualberatungen, seinen politischen Initiativen alles geleistet hat. Er selbst starb 1935 im französischen Exil, in Nizza.

 

Mit der gestrigen Veranstaltung hat sich vieles verändert. Seinen Namen kennt man jetzt auch in der „Mitte der Gesellschaft“.

Der Festakt ist übrigens der Auftakt eines Hirschfeld-Jahres mit vielen Veranstaltungen.

 

Die Reden: Emotional, informativ, bewegend

 

Selten habe ich eine Veranstaltung erlebt, bei der Redner/innen so engagierte Reden halten. Das war keine Pflichtveranstaltung für die Redner und Rednerinnen; Das war kein Pflichttermin. Die neue Justizministerin der Bundesstiftung, die auch die Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung ist, glänzte durch eine warmherzige und überzeugende Rede mit persönlichen Einblicken einer Juristin. Die Stiftung kann sich glücklich schätzen, diese Politikerin an der Spitze zu haben. Sie erinnerte bei dieser Gelegenheit daran, dass bislang erst 300.00 Euro Entschädigung gezahlt worden für die Oper des Paragraphen § 175.Nur wenige stellen Anträge, vielleicht aus Scham.

 

 

 

Engagiert und unterhaltsam der „politische Enkel“ Hirschfeld (so die Worte der Moderatorin Manuela Kay), der Berliner Kultursenator Klaus Lederer. Ich habe auch hier viel Neues erfahren, zum Beispiel, dass Hirschfelds Wirken schon 1908 Thema eines Liedes war von Otto Reutter.

 

 

Die frühere Justizsenatorin Leutheusser-Schnarrenberger, die maßgeblich bei der Gründung der Stiftung beteiligt war, musste ihre Teilnahme absagen. Aber das verlesene Grußwort war so informativ, persönlich und engagiert, dass man das Gefühl hatte, sie befindet sich doch im Raum. Sie bleibt der Stiftung zum Glük im Förderkreis erhalten.

 

Die Hauptrednerin des Festaktes, die Wissenschaftlerin Prof. Dr. Dagmar Herzog von der University of New York, war in jeder Hinsicht die richtige Rednerin für diesen Festakt. Auch von ihr konnte man viel Neues erfahren: Dass Hirschfeld der erste „Volksaufklärer“ war in Sachen Sexualität. 3000 Vorträge hat er in seinem Leben gehalten. Er war in den 20er Jahren international anerkannt und beförderte den Ruf Berlins als „gay capital“. Ohne Hirschfeld wäre die kurze Blüte des queeren Lebens in Berlin kaum vorstellbar. Im Berlin der 20er Jahren wurde die liberalste Sexualkultur der Welt gelebt.

 

Sie porträtiert Hirschfeld als einen ungeheuer mutigen Humanisten, der sich weder durch Rechtsradikale – die ihn bereits 1920 nach einem Vortrag zusammenschlugen – noch durch den Ausschluss aus psychologischen Vereinigungen entmutigen ließ. „Er war unbeirrbar in seinem Fortschrittsglauben. Er war fest davon überzeugt, dass Menschen dazulernen können," so die New Yorker Wissenschaftlerin.  Ganz konkret nannte sie Sigmund Freud. Der hatte sich noch 1911 abfällig über Hirschfeld geäußert. 1928 drückte er sich in einem Brief voller Wertschätzung aus.

 

 

 

Natürlich ist Hirschfeld kein Heiliger. Er war auch schrullig, hatte seine persönlichen Schwächen und nicht alles, was er wissenschaftlich vertrat, ist heute noch haltbar. Er ist vor allem wegen seines Biologismus in die Kritik geraten.

 

 

Hirschfeld war sympathisch unvollkommen. Und ein Vorbild: „Es ist dringend nötig, sich weiter zu engagieren. In seiner Ausdauer, seinem Mut und seinem Humanismus wird er uns Vorbild bleiben“, so sinngemäß die Wissenschaftlerin. Sein Leben hat er dafür eingesetzt, Homosexualität zu entkriminalisieren Hunderttausende verdanken ihm, dass sie heute in Würde, in Freiheit leben und die Chance haben wie jeder andere Mensch auch, ein glückliches Leben zu führen. 

 

 

 

Die Moderation von Manuela Kay, Chefredakteurin der L-mag, war souverän, angemessen festlich und ernst, aber auch (wie zu erwarten war) herrlich wenig staatsstragend.  Genau richtig.

 

Der Festakt war erst der Auftakt eines Hirschfeld-Jahres mit vielen Veranstaltungen.

 

https://www.magnus-hirschfeld.de/forschungsstelle/veranstaltungen-und-einladungen/termine-zum-hirschfeld-jahr-2018-2019/

 

 

 

 

 

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