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Großartiger Film: Anne Clark im Porträt

Die ist elektronisch, minimalistisch rhythmisiert.  „There has be a passion for living“, singt sie in einem ihrer bekanntesten Stücke. Diese Leidenschaft, die hat sie bis heute. Sie lebt in jeder Silbe.

 

Erzählt werden die Stationen ihres künstlerischen Schaffens und damit auch ihre Lebensgeschichte. Unchronologisch. In den ersten 45 Filmminuten erfährt man nichts über ihre familiäre Herkunft, ahnt aber schon, dass diese kein Zuckerschlecken war, sondern eher ein Überleben.

 

Der Film besteht ausschließlich aus Konzertmitschnitten, Probenaufnahmen und Interviews mit der Künstlerin. Keine Interpretationen, keine Stimmen von Wegbegleitern, Partner/innen oder Geschwistern, keine schlauen Kommentare von Musikexperten. Nur sie spricht und führt erzählend durch ihr Leben. Das macht die große Intensität dieses Films aus. Man begegnet nur ihr und ihrer Musik.

 

Ihre Stimme: immer intensiv, Verzweiflung, Protest, Klage und Sehnsucht nach Hoffnung schwingen immer mit. Die Musiktitel sprechen für sich „our darkness“, „heaven“, „sleeper in Metropolis“. Ihre Lyrik: wesentlich, schnörkellos.

 

Ihre Heimat: ein Arbeiterviertel in London. Ihre Familie: sehr viele Geschwister, eine gewalttätige Mutter. Als die Mutter stirbt, widmet Anne Clark ihr ein Abschiedslied. Im Interview spürt man diese große Wunde, die ihre Mutter in ihr Leben gerissen hat. Das schließt die Liebe der Tochter zur Mutter nicht aus.

 

Ihre musikalische Heimat: Punkrock. Es sind die Londoner Jahre, in denen die „Sex Pistols“ eine ganze Generation von Jugendlichen dazu bringen, ihre Haare blau zu färben und so hemmungslos zu tanzen wie es für Eltern damals nur ein Alptraum gewesen sein kann. Ihre Anfangsmusik ist ganz im Geiste der 80er Jahre – eben Punkrock. Aber von Anfang an kombiniert mit elektronischer Musik. Das war das Neue.

 

In diese Sex-Pistols-Zeit fallen auch ihre ersten Schritte als Musikerin. Offen bleibt in dem Film, woher diese Kraft kam, der Mut, dieses Selbstbewusstsein aus dem Arbeitermilieu auszubrechen und sich ganz der Kunst zu widmen. Das war nichts, wozu man in der Arbeiterschicht ermutigt wurde.

 

Der Film setzt in ihrer Jugend an, bei ihren ersten großen Erfolgen. Dann der Schock. Sie wird von einer Plattenfirma um alle Einnahmen betrogen, bleibt mit einem Berg Schulden für die noch nicht abbezahlten Instrumente zurück. Cut. Geht nach Norwegen, lebt zurückgekommen. Findet dort irgendwann Musiker, mit denen sie wieder ihr künstlerisches Leben fortsetzt. Zaghaft. Irgendwann kehrt sie zurück nach England. Der Film begleitet sie zu den Orten ihrer Kindheit und Jugend. Sie erzählt, wie sie versucht hat, als Jugendliche  auszubrechen, um möglichst der menschenfeindlichen Architektur des Arbeiterviertels mit ihren bedrückenden Hochhausbauten zu entkommen.

 

Umso länger der Film fortschreitet, desto persönlicher werden ihre  Bekenntnisse zu großen Themen wie Religion, Beziehungen, Sexualität. Man erfährt,  dass es Körperkontakt in ihrer Familie nur in Verbindung mit Gewalt gab. Sexualität ist für sie später eine Möglichkeit, diese Erfahrungen zu überwinden und etwas Neues zu erfahren. Einen sanften Körperkontakt ohne Gewalt.  

 

Den Namen des Regisseurs Claus Withopf hatte ich zuvor noch nie gehört. Das hat sich nun geändert.

 

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